Talentförderung in NRW – eine Bestandsaufnahme

08.03.2016

Bereits am 14. Mai 2015 ist an dieser Stelle über die Situation der Talentförderung in NRW berichtet worden.

Im Rahmen der bevorstehenden Arbeitskreistagung der GIBeT am 10./11. März an der Westfälischen Hochschule (WH) in Gelsenkirchen bietet sich nun erstmals die Gelegenheit, sich zum Thema Talentförderung losgelöst von landesspezifischen Netzwerken auf bundesweiter Ebene der Studien- und Studierendenberatungen auszutauschen und gemeinsam konstruktiv zu diskutieren. Marcus Kottmann, Leiter des NRW-Zentrums für Talentförderung, eröffnet die Tagung mit dem Vortrag „Talentscouting und Talentförderung - aktuelle Entwicklungen in NRW“. Diese Möglichkeit zum Austausch begrüßt der Vorstand der GIBeT sehr und bedankt sich bereits im Voraus bei Herrn Kottmann für den fachlichen Input zu Beginn der Tagung.

Das Talentscouting (TSC) ist nach seiner Entstehung und Etablierung an der WH mittlerweile an weiteren fünf Hochschulen im Ruhrgebiet ins Leben gerufen worden. Folgende Hochschulen verfügen derzeit über vom Ministerium gestellte Ressourcen, die sich dem Auf- und Ausbau dieses speziellen Bereiches widmen:

  • Hochschule Bochum
  • Ruhr-Universität Bochum
  • Fachhochschule Dortmund
  • Technische Universität Dortmund
  • Universität Duisburg-Essen
  • Hochschule Ruhr-West

Stellenumfang und Entgeltgruppen

Je nach Hochschulgröße und Einzugsbereich wurden zwischen zwei und fünf Talentscout-Stellen eingerichtet. Ergänzt werden diese an den meisten Hochschulen durch eine Stelle für die „Projektkoordination“ sowie zum Teil weitere Mitarbeiterstellen im Bereich Social Media. Die Tätigkeitsprofile sind im Großen und Ganzen vergleichbar, variieren jedoch je nach Hochschule in einzelnen Punkten. Dies ist auch in Bezug auf die Eingruppierungen zu erkennen - die Entgeltgruppen (EG) reichen von EG9 bis EG13 je nach Aufgabenzuschnitt.

Strukturelle Verortung der Stellen

Mit Blick auf die Einordnung des Talentscoutings in die jeweilige Hochschulstruktur lassen sich Analogien zum Bereich der Studien- und Studierendenberatung erkennen. Ähnlich wie im Bereich der Studienberatungsstellen (Verwaltung vs. Zentrale Einrichtung/ Betriebseinheit) ist auch die Verortung der Mitarbeiterstellen des Talentscoutings innerhalb der Hochschulen unterschiedlich gelöst. In vielen Fällen sind die Stellen direkt in der jeweiligen Zentralen/Allgemeinen Studienberatungsstelle oder dem dazugehörigen Dezernat im Verwaltungsbereich der Hochschulen angesiedelt. Vereinzelt bildet das TSC jedoch auch eine eigene Abteilung. Die Kolleginnen und Kollegen der oben genannten Hochschulen berichten vielfach von einer engen Zusammenarbeit, einer guten Vernetzung und einem konstruktiven Austausch zwischen Studienberatungsstellen und TSC.

Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Studienberatungsstellen und Talentscouting

Bisher engagieren sich Hochschulen bzw. Studienberatungsstellen im Übergangsmanagement – also dem Wechsel von der Schule ins Studium – schwerpunktmäßig bei der Studienwahl, dem Erkennen von Studienmotivationen und fachlichen Kompetenzen. Damit begleiten sie die Schülerinnen und Schüler in einer Lebensphase, in der diese bereits ein Studium für sich in Betracht ziehen. Studienberatungsstellen sind ebenfalls direkt vor Ort in den Schulen aktiv. Neu ist der Ansatz des Talentscoutings, dass im Fokus der Scouts diejenigen Schülerinnen und Schüler stehen, die trotz entsprechenden Potenzials einen akademischen Weg – oftmals aufgrund eher sozialer (Herkunfts-)Kriterien – nicht für sich in Erwägung ziehen. Das Angebot der Studienberatungsstellen richtet sich seit jeher selbstverständlich auch an diese besondere Zielgruppe, oftmals besteht jedoch unter diesen Jugendlichen eine Art „Schwellenangst“, so dass sie die Angebote der Studienberatungsstellen nicht eigeninitiativ aufsuchen und wahrnehmen.

Das Talentscouting widmet sich schwerpunktmäßig dieser Zielgruppe und betreibt eine „aufsuchende“ Beratung in den Schulen. Es erweitert den Bereich des Übergangsmanagements somit in zweifacher Hinsicht: Erstens intensivieren Hochschulen ihre Arbeit in den Schulen und zweitens nehmen sie aktiv Kontakt zu Schülerinnen und Schülern auf, die sich ein Studium (noch) nicht zutrauen. Damit ebnen Hochschulen den Weg gezielt für diejenigen, die trotz Talents einen akademischen Bildungsweg bislang nicht in Erwägung gezogen haben. Die vernetze Beratung zwischen Studienberatungsstellen und TSC stellt somit eine Chance dar, an der Schnittstelle Übergang Schule – Hochschule „Hand in Hand“ zu arbeiten und ein umfassendes Beratungsangebot für junge Menschen zu realisieren.

Alle bereits aktiv involvierten Kolleginnen und Kollegen berichten davon, dass das Talentscouting an den jeweiligen Hochschulen derzeit noch im Aufbau befindlich ist und somit noch kein valides Zwischenfazit gezogen werden kann. Es lassen sich überwiegend positive Entwicklungen und stetig wachsende Vernetzungen beobachten. Im Rahmen der zentral vom NRW-Talentzentrum konzipierten und durchgeführten Qualifizierung aller Scouts wird an vielen Stellen auf die Expertise der Studienberatungsstellen zurückgegriffen. So unterstützt die ZSB der Westfälischen Hochschule mit einer grundlegenden Schulungseinheit zu Themen wie Hochschultypen und Bewerbungsprozesse und gibt den Scouts einen Einblick in die vielseitigen Beratungsfelder der Studienberatungsstellen. Ziel ist es durch Information und Transparenz dem Ansatz der vernetzen Beratung bestmöglich gerecht zu werden.

Nur in Einzelfällen scheint die Vernetzung noch ausbaufähig zu sein und TSC und Studienberatung wie ein konkurrierendes Angebot wahrgenommen zu werden. Um möglichst große Synergieeffekte zu erzielen und ein umfassendes Angebot für Studieninteressierte mit unterschiedlichstem Unterstützungsbedarf realisieren zu können, gilt es dies durch konstruktive Kommunikation von beiden Seiten und enge Zusammenarbeit unbedingt zu vermeiden.